Historisches
Zur niedersächsischen Verkehrsgeschichte – die Entwicklung des Straßenbaus in Niedersachsen
6. Zerstörung und Wiederaufbau (1940-1955)
Während des Krieges war die Unterhaltung des Straßennetzes überaus erschwert und musste in zunehmendem Maße zurückgestellt werden. Einerseits waren die Dienststellen der Straßenbauverwaltung aber auch die Baufirmen durch Einberufungen zur Wehrmacht oder zur Organisation Todt personell geschwächt, andererseits wurden Baustoffe, Material aller Art, Maschinen und Fahrzeuge für nicht-militärische Aufgaben immer knapper. Der Krieg und die Kampfhandlungen bei Kriegsende brachten dann noch unmittelbare starke Schäden an den Straßen und ihren Brücken, an denen das Katastrophen-Hochwasser 1946 noch weitere zusätzliche Schäden hervorrief.
Man schätzte Anfang der 1950er-Jahre für das damalige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Gesamtunterlassung an Straßenbauausgaben aller Baulastträger von 1940 bis 1949 auf etwa 5,5 Mrd. DM (nach damaligem niedrigen Preisniveau!) und die Kriegsschäden auf etwa 2,5 Mrd. DM. Wenn man diese Beträge über den Baupreisindex auf das heutige Preisniveau hochrechnet, ergibt sich eine Summe von rund 22 Mrd. Euro! Nach dem Bundesverkehrswegeplan 2003 beträgt der Finanzbedarf für die laufende Erhaltung des Bundesfernstraßennetzes – nun aber in der größeren Bundesrepublik – jährlich rund 1,7 Mrd. Euro.
Diese einfache Betrachtung hilft zu erklären, dass die Kriegsschäden erst bis etwa 1955 beseitigt waren, und belegt zugleich die Tatsache, dass an einen Neubau von Straßen oder gar Autobahnen kaum zu denken war.
Das Ausmaß der Zerstörungen wurde besonders bei den Straßenbrücken deutlich. Von den im Zuge von klassifizierten Straßen liegenden 2.362 Brücken (mit lichter Weite von mehr als 5 m) waren 621, d. h. mehr als ein Viertel, zerstört. Hinzu kamen noch 255 Brücken im Zuge von Gemeindestraßen. Darüber hinaus waren auf allen Straßen weitere rund 1.000 Brücken mit einer lichten Weite unter 5 m bzw. Durchlässe zerstört. Unter den größeren Brücken befanden sich fünf Brücken über die Ems, elf Brücken über die Weser, fünf Brücken über die Aller zwischen Verden und Celle, eine Elbebrücke bei Dömitz und zahlreiche größere Brücken im Zuge der Autobahnen, darunter die steinernen Gewölbebrücken im Wesergebirge (heute A 2) und die Werratalbrücke bei Hedemünden (heute A 7).
Es galt also, die Befahrbarkeit der Straßen für den ständig ansteigenden motorisierten Verkehr herzustellen und zu gewährleisten. Nur unter größten Anstrengungen konnte der Verkehr während der Frostaufgangszeit aufrecht erhalten werden. Durch Gewichts- und Geschwindigkeitsbeschränkungen oder auch durch Vollsperrungen konnten noch größere Schäden verhindert werden. Trotz derartiger einschneidender Maßnahmen betrugen die baulichen Schäden beispielsweise der Tauperiode 1955 rund 35 Mio. DM, hauptsächlich in den südlichen Landesteilen. Noch im Jahre 1986 waren von den und. 8.400 km Landesstraßen rund 1.000 km nicht frostsicher ausgebaut.
Mit den geringen verfügbaren Baumitteln (1950 für die Bundesfernstraßen 27,5 Mio. DM) konnte nur "auf Länge" gebaut werden; d. h., auf Verbreiterungen, Kurvenausbau und Linienverbesserungen war zu verzichten. Weiterhin waren die während des Krieges zerstörten Brücken (siehe oben) wieder aufzubauen oder zunächst durch Behelfsbrücken (englische Bailey-Brücken) vorübergehend zu ersetzen.
In diese Zeit des Wiederaufbaus des Straßennetzes fällt auch die Wiederbeschaffung von Diensträumen für die Straßenbauverwaltung, nämlich der Wiederaufbau der Ruine des Groteschen Palais zum Sitz der Niedersächsischen Straßenbaudirektion. Nach Baubeginn im November 1950 war das Gebäude bereits am 1. Juli 1951 fertig gestellt und von den Bediensteten bezogen worden. Mehr als 50 Jahre hat die Obere Straßenbaubehörde von diesem Hause aus den Straßenbau in Niedersachsen nach den Vorgaben der Landesregierung gelenkt. Das landeseigene Haus war in dieser langen Zeit zum Symbol des Straßenbaus – geradezu zur "Straßenbauverwaltung" selbst – geworden, bis es im Januar 2004 zugunsten eines Mietobjekts am Stadtrand von Hannover aufgegeben wurde.