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Historisches

Zur niedersächsischen Verkehrsgeschichte – die Entwicklung des Straßenbaus in Niedersachsen


5. Die Anpassung des Straßennetzes an den Kraftfahrzeugverkehr (1923-1940)

Erst nach der Inflation im Jahre 1923, als sich die Wirtschaft wieder zu beleben begann und das Kraftfahrzeug mehr und mehr zur Beförderung von Personen und Gütern eingesetzt wurde, drängten Handel und Industrie immer stärker darauf, das Straßennetz dem neuen Verkehrsmittel anzupassen.

Seit der ersten Kfz-Verkehrszählung im Jahre 1912 mit täglich 9,4 Kfz auf allen Chausseen der Provinz Hannover hatte der Verkehr 1924 um das Achtfache auf 74 Kfz täglich zugenommen. Zum Vergleich: Der durchschnittliche tägliche Verkehr betrug 2006 in Niedersachsen auf den Bundesautobahnen 50.300 Kfz und auf den Bundesstraßen 10.000 Kfz.

Die Anpassung der Straßen war in zweierlei Hinsicht erforderlich:

  • Die Straßen waren bisher nach fahrgeometrischen Erfordernissen von pferdebespannten Fuhrwerken trassiert. Nun musste fahrdynamisch konstruiert (Mindestradien, einseitige Querneigung zur Kurveninnenseite) und gebaut werden.
  • Der schnelle Verkehr mit Kraftfahrzeugen führte auf den überwiegend vorhandenen Schotterdecken zu deren rascher Zerstörung (Schlaglöcher) sowie zur Staubplage für Anlieger und Verkehrsteilnehmer. Die Straßen mussten Oberflächenbehandlungen mit bituminösen Bindemitteln bzw. Asphaltbetondeckschichten bekommen.

Man erarbeitete in den 1920er-Jahren nach eingehenden Wirtschaftlichkeits-Untersuchungen einen Straßenausbauplan, dessen Ausführung wegen zu geringer Mittel jedoch nur zögernd in Gang kam und durch die Weltwirtschaftskrise im Jahre 1929 völlig ins Stocken geriet.

Nach 1933 wurde das Straßenwesen neu geregelt. Vom 1. Januar 1934 an übernahm das Reich die Straßen für den Fernverkehr in seine Baulast. Die meisten Chausseen wurden damals Reichsstraßen. Die übrigen dem überörtlichen Verkehr dienenden Straßen wurden je nach ihrer Verkehrsbedeutung in die Gruppe der Landstraßen I. Ordnung und der Landstraßen II. Ordnung eingestuft. Für erstere wurden die Länder und preußischen Provinzen, für letztere die Landkreise Baulastträger. So ist es bis heute geblieben. Wir unterscheiden bei den Straßen des überörtlichen Verkehrs Bundes-, Landes- und Kreisstraßen.

In der Provinz Hannover wurden alle drei Straßengattungen (seit 1876, s. o.) von der Straßenbauverwaltung des Provinzialverbandes gemeinsam betreut, eine einfache Verwaltungsorganisation, bei der die technischen Erkenntnisse allen drei Straßenbaulastträgern gleichmäßig und ohne Zeitverlust zugute kamen. Dieses an Sparsamkeit nicht zu übertreffende Verwaltungsverfahren bot so viele Vorteile, dass im Jahre 1939 alle Straßenbauverwaltungen der preußischen Provinzen nach diesem hannoverschen Vorbild organisiert wurden.

Bis zum Kriegsbeginn wurden umfangreiche Arbeiten am Straßennetz ausgeführt:

  • Verbreiterungen der Fahrbahnen,
  • Herstellung bituminös gebundener Fahrbahnbeläge,
  • Linienverbesserungen,
  • vereinzelt Ortsumgehungen.

Während nahezu alle Reichsstraßen einen festen Fahrbahnbelag erhielten, hatten im heutigen Niedersachsen 1938/1939 immerhin noch rund 42 Prozent der Landstraßen I. Ordnung und rund 65 Prozent der Landstraßen II. Ordnung nur wassergebundene Schotterdecken.

Die größten Bauleistungen im Straßenbau wurden in den 1930er-Jahren im Autobahnbau erbracht. Über den "Erfinder" der Autobahn (Kronprinz Wilhelm?, Dr. Puricelli?) mag man streiten, ein ganz starker Promotor des Autobahngedankens jedoch kam aus Hannover: Geheimrat Professor Dr.-Ing. Robert Otzen, Straßenbauprofessor an der TH Hannover. Er übernahm den Vorsitz im "Verein zur Vorbereitung der Autostraße Hamburg-Frankfurt-Basel (HAFRABA) e.V.", der am 6. November 1926 in Frankfurt am Main gegründet wurde.

Mit großem Engagement wurde für den Autobahnbau geworben und Öffentlichkeitsarbeit betrieben, letztlich aber gegen den Widerstand von Reichsregierung und Deutscher Reichsbahn ohne Erfolg. Ab 1933 trat die Wende ein: Die NS-Propaganda stellte u. a. auch den Autobahnbau als Mittel zur Bekämpfung der unerträglich gewordenen Arbeitslosigkeit heraus und entwickelte in kürzester Zeit den Mythos von den "Straßen Adolf Hitlers". Das wurde auch durch das Tempo begünstigt, mit dem die neue Reichsregierung die Autobahnidee in die Tat umsetzte. An oberster Stelle war hierfür zuständig der "Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen", Dr.-Ing. Fritz Todt.

Bereits durch Gesetz vom 27. Juni 1933 wurde die "Gesellschaft Reichsautobahnen" als Zweigunternehmen der Deutschen Reichsbahn geschaffen. Der Verein HAFRABA wurde – bei ausdrücklicher Würdigung seiner Verdienste – am 18. August.1933 in die "Gesellschaft zu Vorbereitung der Reichsautobahnen e.V." (GEZUVOR) umgewandelt. Ihre konkrete Aufgabe bestand darin, für alle Teilstrecken des Autobahnnetzes die Planungsarbeiten von der Planungsidee bis zur groben Linienfestlegung durchzuführen.

Bis Ende 1935 war von den elf Sektionen der GEZUVOR ein Netz von rund 9.900 km Länge planerisch fertig ausgearbeitet. Die weitere Entwurfsbearbeitung und Baudurchführung wurde den reichsweit 16 "Obersten Bauleitungen Reichsautobahnen" (OBR) übertragen. Auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsen waren die OBR Hamburg, Hannover und Kassel tätig.

Die am 1. Februar 1934 gegründete OBR Hannover begann ab 21. März 1934 mit den Bauarbeiten auf der heutigen A 2 zwischen Hannover und Helmstedt. Am 5. April 1936 konnte als erste Autobahn in Norddeutschland die 32 km lange Strecke zwischen Lehrte und Braunschweig-West für den Verkehr freigegeben werden. Die Gesamtstrecke von Hannover bis zum Berliner Ring mit einer Länge von 225 km war am 10. Januar 1937 betriebsbereit.

In Niedersachsen entstanden vor dem Kriege die durchgehende Ost-West-Autobahn A 2, die A 1 zwischen Hamburg und Bremen sowie die A 7 zwischen Nörten-Hardenberg und Kassel. Infolge des Kriegsausbruchs kamen die Arbeiten auf der A 7 zwischen Hamburg und Hannover – Ziel war die Fertigstellung Ende 1940 – immer mehr zum Erliegen und wurden 1941 völlig eingestellt. Am 3. August 1942 konnte noch der provisorisch einbahnig fertiggestellte Abschnitt Göttingen – Nörten für den Verkehr freigegeben werden. In Niedersachsen waren damit 295 km Reichsautobahnen (von insgesamt rund 3.900 km, teilweise nur einbahnig) gebaut worden.

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Reichsautobahnen in Deutschland, Stand 1939  

Reichsautobahnen in Deutschland, Stand 1939.

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